Spandau
Berlin oder nicht? Der Bezirk Spandau
Jenseits der Havel, als Grenzbezirk zu Brandenburg ganz im Westen und nördlich von Potsdam angesiedelt, gilt Spandau als ein Bezirk mit stark ausgeprägter kommunaler Authentizität. Die Einwohner bezeichnen sich zuerst als Spandauer, dann erst als Berliner. Und für die Bewohner der anderen Stadtbezirke Berlins ist Spandau zu weit weg – für die Spandauer ist Berlin nicht weit genug weg.
Das mag wohl daran liegen, dass Spandau erst am 1. Oktober 1920 seine Eigenständigkeit verlor und nach Berlin eingemeindet wurde. Seither ist es der größte Industriebezirk der Bundeshauptstadt und zugleich einer der landschaftlich schönsten.
Überdies präsentiert Spandau facettenreiche Gesichter. Hobbyhistoriker werden von der Spandauer Zitadelle hingerissen sein, denn diese gilt als am besten erhaltene Wehranlage der Renaissance in Europa. Verschwunden ist das Kriegsverbrechergefängnis Spandau, in dem einige der bekanntesten Köpfe des Dritten Reichs ab 1946 ihre Haftstrafen verbüßten, darunter auch die Admirale Dönitz und Raeder. Und nachdem mit Rudolf Heß der letzte und einzig verbliebene Insasse verstorben war, wurde der 1878 errichtete Bau abgerissen.
Das Motorradwerk von BMW ist in Spandau zu finden, genau wie die Siemensstadt, deren Zukunft als Innovationscampus die technologische Bedeutung ganz Deutschlands betonen wird. Und nur einen Steinwurf entfernt locken die idyllischen Ufer der Havel, ausgedehnte Wälder und weitgehend naturbelassene Regionen mit lauschigen Seen.
Spandau ist älter als Berlin
Bereits 1157 wird de Burg Spandau mit angrenzender Siedlung, Gemeinde oder Stadt urkundlich erwähnt. 1232 ist erstmals von der Stadt Spandau die Rede, deren Rechte in einem Dokument erweitert werden. Schlußfolgernd, muss Spandau bereits Jahre zuvor die Stadtrechte erhalten haben. Damit ist Spandau älter als Berlin, denn die Bundeshauptstadt wurde offiziell erst 1237 gegründet.
Kurfürst Joachim II. ist der Ausbau der Burgfestung zur Zitadelle Spandau zu verdanken, mit deren Bau 1560 begonnen wurde. Damit wurde die militärische Prägung Spandaus verstärkt, wo im Dreißigjährigen Krieg eine Garnison stationiert war und später eine Gewehrfabrik folgte. Übrigens wurde hier im 19. Jahrhundert das legendäre Maschinengewehr Typ 08/15 produziert, auf welches sich die oft zitierte Redewendung bezieht. 1873 wurde Spandau zur Festungsstadt erhoben, was mit dem Bau von Fort Hahneberg 1882 einherging. Und die Schreibweise der Gemeinde wurde 1878 von Spandaw in Spandau geändert.
Für die Rüstungsproduktion von immenser Bedeutung, wurden Eisenbahnverbindungen nach Hamburg und Hannover bereits ab 1846 geschaffen. Außerdem wurden in der Havel der Südhafen 1806, kurz darauf der Nordhafen ausgebaut. In der Folge siedelte sich 1897 Siemens an, woraus im Laufe weniger Jahre die berühmte Siemensstadt entstand, die heute ein eigeständiger Ortsteil des Bezirks Spandau ist.
Der Bezirk Spandau entstand vom Rahmen der Bildung Groß-Berlins. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden dazu die Stadt Spandau und einige angrenzende Gemeinden zusammengelegt und nach Berlin eingemeindet. Dazu gehörte auch die ehemalige Potsdamer Vorstadt, die zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. 1897 zu dessen 100. Geburtstag in Wilhelmstadt umbenannt wurde.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das gesamte für die Rüstungsindustrie wichtige Gebiet, so wie auch Berlin, durch zahlreiche Flak-Stellungen geschützt. Dies konnte aber schwerste Schäden nicht verhindern, insbesondere in den Industrieansiedlungen. Bis auf den westlichen Bereich des Ortsteils Staaken gehörte Spandau nach Kriegsende zur britischen Besatzungszone, West-Staaken zur sowjetischen. Diese Trennung wurde 1990 nach dem Mauerfall rückgängig gemacht. Bis in die Gegenwart verfügt Spandau über eine gut ausgebaute, nahezu eigenständige Infrastruktur. Diese wurde durch die Umgestaltung der Altstadt zur Fußgängerzone gestärkt, aber auch durch die Errichtung der Spandau Arkaden. Dieses moderne Einkaufszentrum beherbergt rund 125 Einzel- sowie Fachgeschäfte aus allen Branchen.
Kultur und Spaß in Spandau
Eines der bedeutendsten historischen Gebäude in Spandau ist die St. Nikolai-Kirche aus dem 14. Jahrhundert. In dieser trat Kurfürst Joachim II. zum protestantischen Glauben über, womit die gesamte Mark-Brandburg protestantisch wurde. Diese gotische Hallenkirche wird mit ihrer exzellenten Akustik bis in die Gegenwart für Konzerte genutzt. Festivals, Mittelaltermärkte und ein uriger Weihnachtsmarkt haben ihre Heimat in der Zitadelle Spandau, die auch für Ausstellungen, als Museum und teilweise für gesellschaftliche Ereignisse genutzt wird.
Liebhaber rockiger Töne finden beste Unterhaltung im alternativen Bierlokal Wampe und in der etablierten Diskothek Ballhaus Spandau. Alternativ bietet sich das JWD an, in dem auch Rockbands auftreten. Bürgerlich aber lebhaft geht es im Brauhaus Spandau zu, das Restaurant und gepflegtes Hotel zugleich ist. Brandenburgische sowie Berliner Spezialitäten werden im Luitpold serviert, einem beliebten Restaurant mit gemütlicher Bar. Wer Jazz bevorzugt, ist im Ortsteil Kladow gut aufgehoben. Dort werden im Klawdower Hof regelmäßig Jazz-Sessions inszeniert.
Das Spandauer Schwarze ist eine untergärige Bierspezialität, die direkt im Brauhaus Spandau hergestellt wird. Mit einer Stammwürze von rund 12% recht süffig, hat die Köstlichkeit nicht nur entlang der Havel ihre Liebhaber gefunden. Überdies gehört das Havelbräu zum Programm, ein Craft Beer, das es bereits gab, als diese Bezeichnung noch nicht erfunden war.
Eine weitere Delikatesse, die inzwischen auch den Weg in die Berliner Supermärkte gefunden hat, ist das seit 1927 in Spandau hergestellt Florida-Eis. Eine Besonderheit ist die Produktion, denn diese erfolgt CO2-neutral und ausschließlich mit Solarenergie. Das Traditionsunternehmen unterhält lediglich zwei eigene Filialen – beide in Spandau und diese sind zu jeder Jahreszeit sehr gut besucht.